Donnerstag, 19. März 2015

We love Youganda!


Ich habe hundertfünfundachtzig verschiedene Anfänge für diesen Post in meinem Kopf, dreimal so viele Gefühle und weißgott wie viele Anläufe gestartet.
Letztlich habe ich festgestellt: Es gibt keinen Weg für mich, euch meine Erfahrungen so zu beschreiben, dass ich ihnen auch nur ansatzweise gerecht werde. Daher habe ich mich entschlossen, darüber zu schreiben, was "Uganda" mit mir gemacht hat, was mich nachhaltig beeinflusst hat, meine Sichtweise verändert hat. Wann ich an die Menschen denke, die ich kennen gelernt habe und warum ich finde, dass "wir" eine Verantwortung tragen, der sich all zu wenige bewusst sind und noch weniger sich dafür einsetzen.

Ich denke viel zu selten an das, was ich erlebt habe. Jeder Tag, der vergeht, ist ein Tag, an dem ich das Gefühl habe mehr zu vergessen. Ich möchte meine Erfahrungen, Erlebnisse und Erkenntnisse nicht verlieren! So eine subtile "Angst" hatte ich noch nie, doch das Ganze war einfach zu eindrucksvoll und zu wichtig, um es einfach wieder so an mir vorbeiziehen zu lassen. Ich arbeite dagegen an: Ich informiere mich, ganz platt ausgedrückt, "was auf der Welt passiert". Das klingt stumpf, wirklich. Doch ich war vorher nicht gerade die Art Mensch, die die Augen auf hat. Ich habe eher weggeguckt, weil hingucken oft erschreckend ist. In Uganda habe ich gelernt, wie schön hingucken ist, und wie viel schöner es ist, etwas gemeinsam zu leisten. Es ist egal, ob das Wohltätigkeit betrifft oder privates, den Job oder die Familie. Zusammensein, Gemeinschaft. Ich finde das gerade wieder, oder: erstmals. Auf Gemeinschaft im Großen habe ich bisher nie wert gelegt, meine Familie kam definitv eher zu kurz und an sich bin ich eher jemand, der alleine sehr gut und gerne klar kommt. Es ist nicht so, dass ich mein Wesen geändert hätte, oder das vorhabe - geht das überhaupt? Es ist eher so, dass sich mein Fokus zusätzlich auf etwas anderes richtet. Anders als vorher. Es ist schwierig, das in Worte zu fassen.

Es ist komisch, Menschen, mit denen ich so eine intensive Zeit erlebt habe, nicht einfach wieder sehen zu können. Selbst unsere Reisegruppe ist verstreut. Ok, verhältnismäßig einfach zu erreichen. Im Vergleich zu den lieben neuen Freunden in den Städten Ugandas. Mal kurz rüberfliegen ist halt auch ein Aufwand. Ich ertappe mich immer wieder dabei, wie ich überlege, wann ich genug Geld für den nächsten Flug zusammen habe. Und manchmal denke ich, wie schön es wäre, sich mit dem ein oder der anderen einfach mal abends auf ein Getränk zu treffen, ganz unkompliziert. Die Ungerechtigkeit, dass diese Menschen, die aus Uganda kommen, nicht einfach nach Deutschland oder Europa im Allgemeinen reisen können, beschäftigt mich sehr. Mir war einfach nich bewusst, wie kompliziert, nervenaufreibend und meistens erfolglos es ist. Klar, wusste ich das "irgendwie", aber ich habe halt weggeguckt. Wie schade es ist, dass ich meine Freunde nicht einfach zu Ostern einladen kann, um ihnen mein Leben zu zeigen.

Die Leben unterscheiden sich wirklich, es sind verschiedene Welten. Hamburg, Kampala, und die Projektdörfer. In letzteren herrscht tatsächlich noch eine ganz andere Hierarchie, wie ich es naiver Weise nie gedacht hätte, dass es das noch gibt. Die Männer sitzen auf der Bank, die Frauen dahinter auf dem Boden. Beim Essen gibt es eine strikte Reihenfolge und die Kids kommen zuletzt dran. In Kampala herrscht ein einziges riesiges Verkehrschaos, das lebensgefährlich sein muss, und dennoch folgen alle irgendwie den gleichen unausgesprochenen Regeln. Überall am Wegrand stehen die gelben 20l-Wasserkanister.

Water is life. "Uns" Europäern fällt es leicht, einen Trinkwasserzugang für Menschen in Uganda zu finanzieren. Sollte es zumindest. Würden 10.000 Menschen einmalig 1 Euro spenden, würde das mehrere Communities im ugandischen Wildlife von Nutzen sein und viele Leben so viel einfacher gestalten. Leider sind sich dessen hier zu wenige bewusst. Auch ich habe bisher, bis auf die obligatorische Pfandbecherabgabe bei Festivals, kaum einen Beitrag dazu geleistet. Das wird sich in Zukunft ändern und ein Spendenauftrag eingerichtet. 5 Euro im Monat tun mir nämlich nicht weh, und können woanders so viel bewegen.
Mein Umgang mit Wasser ist übrigens tatsächlich anders geworden. Das fängt damit an, dass ich mir jedes mal, wenn ich Wasser trinke, benutze, darüber im Klaren bin, dass mir das leicht fällt. Dass ich es gerne mache. Und dass ich mir recht sicher bin, dass ich ohne diese Leichtigkeit auf jeden Fall Schwierigkeiten hätte. Ich bin sparsamer geworden, beim Kochen, (Ab)Waschen. Ich habe ein Bewusstsein dafür entwickelt. Und achte darauf, wie andere damit umgehen. Erschreckend, teilweise. It's all about awareness. Auch in Deutschland könnte man viel Entwicklungsarbeit leisten.

Apropos Entwicklungsarbeit: Schon mal darüber nachgedacht, selbst aktiv zu werden? Ich jetzt schon. Mein Job - und ich liebe ihn, und jeder der mich arbeiten sieht und kennt, weiß das - fühlt sich doch recht unbedeutend an. Ganz ehrlich, er ist das auch. Irgendwie. Er ist für mich bedeutend, ich hätte gerne, dass er auch für andere Menschen bedeutend wird. Ein bisschen mehr Awareness schaffen, weitergeben. Ich kann mir nicht vorstellen, selbst in Lira zu sein und Tag für Tag die Arbeit zu leisten, die die Welthungerhilfe dort schafft. Wirklich nicht. Aber: Ich kann mir vorstellen, etwas zu tun. Das habe ich inzwischen im Hinterkopf.

Nicht nur beruflich. Auch privat. Wenn mich jemand fragt, ob ich wieder in Deutschland angekommen bin, kann ich nicht so richtig antworten. Ja, ich bin froh, meinen Standard, Luxus, wieder zu haben. Ich habe Hamburg vermisst, lautes Musik hören und meine Freunde. Ich bin im Alltagswahnsinn wieder angekommen, schneller als mir recht ist, kann gar nicht sagen, was ich die letzten Wochen gemacht habe, obwohl sie so unglaublich voll sind. Ich bin wieder hier, ja.
Aber mein Herz ist in Uganda. In Kampala, in Lira, in den Projektdörfern, im Rhino-Park. Mein Herz ist beim Tanzen, und getanzt wurde viel und intensiv. Mit den Dorfbewohnern, traditioniell zu Musik, die ich noch nie vorher gehört habe. Und letztlich Samstagnacht mit ein paar Bier intus. Da habe ich mit Ro getanzt, einem ugandischen Künstler. Ich bin mir sicher, würde ich hier in Deutschland so tanzen, wir wären eine Attraktion gewesen. In Kampala ist es normal. Es hat mich langfristig beeindruckt, es hat so unglaublich viel Spaß gemacht, es war pure Lebensfreude und Energie. Und ich finde es schade, dass ich nicht einfach jedes Wochenende so tanzen kann. Daran denke ich jedens Mal, wenn ich tanze. Irgendwann wieder, irgendwann.

WE LOVE YOUGANDA. Ehrlich.

Tolle, emotionale und toll geschriebene Reiseberichte von unserer Projektreise nach Kampala / Lira / Moroto findet ihr hier:

http://www.welthungerhilfe.de/blog/we-love-youganda-johannes-berichtet/
http://www.vivaconagua.org/index.htm?post&id=2159
http://vivaconagua.org/index.htm?post&id=2163

Informationen, zu den Projekten und der Arbeit von Viva con Agua de St. Pauli:
http://www.vivaconagua.org/


DANKE! Viva con Agua, für die tollen Projekte, das Durchhaltevermögen und den Ehrgeiz weiter zu machen und etwas zu bewegen, namentlich Ansgar, Michael und Benji.
DANKE! an die "Reisegruppe". Ihr wart der hammer.
DANKE! my new friends far away. Take care and hope to see you really soon!
DANKE! natürlich meinen Chefs, für die Möglichkeit, an der Reise teilzunehmen .

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